Die über zweieinhalb tausend Jahre alte Weisheit des Konfuzius steckt auch noch bis heute im Wesen des Qigong. In meiner Qigong Stunde versuche ich immer öfter die Lernenden an diese uralte Weisheit zu erinnern: «Der Weg ist das Ziel». Aber was meine ich überhaupt damit?
Der Weg vom Weggis zum Rigi Kaltbad
Wenn du zu Fuss von Weggis zum Rigi Kaltbad gehst, ist Rigi vorerst nur eine Motivation für die Wanderung. Der ganze Weg, den du begehst, soll das Ziel sein. Denn auf diesem Weg kannst du eine Menge erleben. Was nimmst du alles wahr auf dieser Strecke? Was siehst du? Welchen Duft nimmst du wahr? Hörst du Vögel singen? Spürst du die Erde unter deinen Füssen? Wenn es steil und anstrengend wird, mache kleinere Schritte und mässige das Tempo. Hab Geduld und halte durch, denn du kommst bestimmt an. Vergiss nicht, dass das Leben bei jedem Atemzug da ist. Deshalb freue dich auf das, was gerade ist. Atmen und wahrnehmen. Das ist die Achtsamkeit per se.
Konfuzius führt dich zum Ziel in der Qigong Praxis
Das Wesen des Qigong beinhalten die „Langsamkeit“ und die Achtsamkeit. Damit du die Essenz des Qigong herausspürst und Fertigkeit in der Qigong Praxis beherrscht, musst du, wie auch alle die vor dir gegangen sind, den weisen Spruch des Konfuzius als Leitmotiv nehmen. Auf Qigong Praxis bezogen, bedeutet «der Weg ist das Ziel» nichts anderes als Qigong üben, üben und nochmals üben. Es ist ein tägliches Praktizieren, regelmässig und stetig. Es ist nicht nur die Frage an Disziplin (Regelmässigkeit und Stetigkeit), sondern es braucht dabei auch Ausdauer, Geduld, Glaube an die Wirkung des Qi und Glaube an dich selbst für deinen Weg, um (am Ziel) anzukommen. Die Erfahrungen während des Lernprozesses sind wertvoll: deine körperliche Wahrnehmung, Gefühle und Bilder, die du während dem Üben bekommst, machen dein Qi-Fundament aus, um bildlich darzustellen, dein „Qi-Muskeln“ werden gestärkt.
Die Schwierigkeit für Menschen in der modernen Zeit liegt genau in der Sache der Disziplin, Geduld und der Ausdauer. Weil manche Menschen im heutigen Zeitalter sich an das «Klick-Tempo» gewöhnen, setzen sie dementsprechend hohe Erwartung an die Umwelt und an sich selbst. Das geht nicht mit der Qigong-Ethik zusammen.
Schritt für Schritt auf deinem Weg
Wenn du ein ganz blutiger Anfänger bist, gönne dir die Zeit und gehe Schritt für Schritt an die Übungen. Hier ein Vorschlag, wie du anfangen kannst:
Erster Schritt
Nimm dir nur eines vor, zum Beispiel übe an einem Tag nur die Haltung. Stehe locker gleichmässig auf beiden Füssen und Knie leicht gebeugt. Der Rücken gerade und die Schulter entspannt. Der Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule. Das Kinn leicht eingezogen, damit die Nacken lang und offen ist. Deine Arme lässt du neben dem Körper hängen. Die Ellbogen leicht nach Aussen, Platz unter der Achsel. Hände sind locker und Finger leicht geöffnet. So, in dieser Stellung können Energie ungehindert fliessen. Dein Atem kannst du dabei mit einbeziehen und atme in regelmässigen Rhythmus. Lass den Atem mit der Zeit immer tiefer und länger werden. Vergiss nicht, dir selbst ein Lächeln zu schenken. Damit du von der Übung profitierst, übe die Haltung mindesten 5 Minuten lang, oder länger wenn du magst. Und steigere jeden Tag ein paar Minuten mehr.
Zweiter Schritt
Kannst du zum Beispiel Armstellung dazu nehmen: du stehst und atmest wie vorher beschrieben, nun nimm du die rechte Hand vor der Brust, die linke Hand vor dem Bauch, mit der Handfläche gegen den Körper. Die Hände berühren den Körper nicht. Wie wenn du einen Baum umarmen würdest. Diese Stellung heisst „Yin und Yang Bildung“. Mache diese Übung zu Beginn 2 Minuten lang und steigere jeden Tag ein paar Minute mehr.
Dritter Schritt
Kannst du beginnen die Arme zu bewegen. Die rechte Hand bewegt aussen und nach unten bis zum Ende des Rumpfes, die linke Hand bewegt innen nach oben bis vor dem Gesicht. Bewege die Hände langsam in diesem zirkulären Muster, während dein Atem weiter regelmässig fliesst, ruhig und langsam. Das ist „Yin und Yang Bewegung“.
Und wie weitere Schritte danach aussehen könnten, wenn es dich interessiert, melde dich gerne bei mir für eine Lektion an oder komm in die Gruppenkurse. Ich würde mich auf dich freuen.
Essenz des Konfuzius und Achtsamkeit in der Qigong Bewegung
Übertragen wir «der Weg ist das Ziel» auf die einzelne Qigong Bewegung, heisst es, du richtest deine Aufmerksamkeit zum Beispiel auf deine Handinnenfläche, während du eine Handbewegung von A nach B machst. Widme deine ganze Hingabe dieser Zeitspanne von A nach B. Was nimmst du wahr? Spürst du etwas in deinen Händen, Fingern? Viele nehmen ein Kribbeln oder Wärme wahr. Atmest du regelmässig? Ist dein Atem tief und lang? Probiere es für dich bei der nächsten Übung aus. Wenn es dir gelingt, dann ist die Langsamkeit nicht mehr eine Schwierigkeit, sondern ein Genuss – alles geht ohne Anstrengung. Und vergiss nicht, dein regelmässiger und ruhiger Atem ist dein treuer Begleiter während der ganzen Zeit. Das Qi wird frei fliessen. Erwünscht ist, dass du die Bewegung mit schönen Natur Bildern und positiven Gefühle assoziierst. Bilder und Gefühle, die dir Freude geben.
„Der Weg ist das Ziel“ – mein Leitmotiv
Als Lehrerin betrachte ich den Weisheitsspruch von Konfuzius als Leitmotiv. Ich habe keinen bestimmten Ort, den ich erreichen muss, außer der Zufriedenheit. Wenn es um das Alter und die Lebensphasen geht, werde ich in zwei Jahren sechzig Jahre alt sein. Sollte ich mich deshalb beeilen mit meiner Qigong-Praxis? Aber wohin würde die Eile führen? Mir sind jüngere Qigong-Kollegen bekannt, die sich bereits als „Qigong-Meister“ bezeichnen wollten, obwohl sie sich meiner Meinung nach noch viel auf sich selbst konzentrieren und meistern mussten. Sie fragten mich, ob es angemessen sei, sich „Meister“ zu nennen. Ich lächelte, denn „Meister“ ist kein geschützter Titel. Jeder kann sich Qigong-Meister nennen. Es geht vielmehr um Ethik und Glaubwürdigkeit. Ein Meister ist für mich jemand, der in jeder Hinsicht herausragend sein sollte. Vor allem sollte er ein Vorbild in Disziplin und ethischem Verhalten für alle sein, die ihm folgen.
Nicht die Eile, sondern die Regelmäßigkeit und Stetigkeit sind meine Ziele. Qigong bedeutet Übung und Pflege der Lebensenergie, des Qi. Mein tägliches Ziel ist es, in Dankbarkeit zu leben. Jeder Tag, an dem ich Qigong praktiziere, bietet mir die Möglichkeit, bestimmte Bewegungsaspekte zu verfeinern oder mein Qi weiter zu entwickeln. Jede Stunde, die ich mit interessierten Menschen Qigong teile, ermöglicht es mir, die Freude an Qigong zu verbreiten. Dies bereitet mir Freude. Mein Ziel ist es, Qigong zu fördern.
Wenn du Qigong praktizierst, sei es Anfänger oder Fortgeschrittener, wünsche ich dir, dass deine Qigong-Praxis zu einem Genuss wird. Mögest du Qigong ohne Erwartungen, sondern mit Hingabe und Freude üben, ohne Druck, sondern mit Achtsamkeit, Gelassenheit und Liebe für dich selbst. Dann wirst du bald selbst zum Meister werden.